«Schatz, ich lebe mit HIV!» - In Psychotherapie und Beziehungen über HIV reden

Heute ist ein gesundes und langes Leben mit HIV bei frühzeitiger Diagnosestellung und darauffolgender Behandlung und Therapie ohne Probleme möglich. Dieses Wissen ist in der Bevölkerung noch nicht verbreitet, sondern es herrschen viele Vorurteile gegenüber Menschen mit HIV. Dies macht es nicht einfach, über eine HIV-Infektion zu sprechen. Im Folgenden werden verschiedene Themen aufgeführt, bei denen Psychotherapie unterstützend wirken kann. Es geht auch darum, wann und mit wem man wie über seine Diagnose sprechen kann.

Was ist Psychotherapie und wann ist sie hilfreich?

Niemand kann etwas für seine Infektion mit HIV. Man ist aber dafür verantwortlich, möglichst gut und selbstverantwortlich damit umzugehen und zu wissen, mit wem, wann und wie man über seine Diagnose sprechen möchte. Dabei kann eine Psychotherapie nützlich sein. Psychotherapie ist ein Prozess, bei dem ein:e Patient:in und ein:e Therapeut:in gemeinsam mit verschiedenen Methoden an den Faktoren arbeiten, die psychische Probleme verursachen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn man sich traurig fühlt, Ängste verspürt, Schwierigkeiten im Umgang mit der HIV-Diagnose hat oder besser darüber reden können möchte. Auch wenn man Probleme in Beziehungen, beim Dating oder bei der Arbeit hat, kann eine psychologische Beratung helfen. Man lernt in der Psychotherapie neue Umgangsmöglichkeiten im Handeln, Fühlen, Erleben und Denken. Dies kann zur Stabilisierung und Besserung von emotionalen Problemen führen. Ziel ist, dass die Patient:innen lernen, sich selbst psychisch zu helfen, und zu Expert:innen für sich und ihr Wohlbefinden werden. Psychotherapie kann ein langer Prozess sein, bevor es einer Person besser geht, da die Umstrukturierungen im Denken und Fühlen Zeit benötigen.

Es ist wichtig, dass Menschen mit HIV die Möglichkeit haben, mit einer wohlwollenden Person über ihre Probleme, Ängste und Sorgen vorurteilsfrei sprechen zu können. Deswegen ist es unter Umständen nötig, dass man mehrere Therapeut:innen ausprobieren muss, bis man einen geeigneten Gesprächspartner, eine geeignete Gesprächspartnerin findet, bei dem oder der man sich wohlfühlt. Es gibt viele Themen, bei denen es für Menschen mit HIV hilfreich sein kann, in einer Psychotherapie darüber zu sprechen. Hier ein paar Beispiele.

Diagnose

Die Diagnose einer HIV-Infektion kann zu starken emotionalen Reaktionen führen, darunter Angst, Depression, Wut und Trauer. Eine Psychotherapie kann dabei helfen, diese Emotionen zu verarbeiten und Wege zu finden, um mit der Diagnose umzugehen. Dabei kann man nicht sagen, wie lange diese Gefühle vorhanden sein müssen, bis man in eine Psychotherapie soll. Es kommt vielmehr darauf an, wie belastet man sich durch diese Symptome fühlt.

Umgang mit Vorurteilen und Ablehnung

Menschen mit HIV können sich aufgrund von Vorurteilen und Ablehnung isoliert und allein fühlen. Eine Psychotherapie kann helfen, mit Vorurteilen und Ablehnung umzugehen und ein gesundes Selbstwertgefühl zu pflegen.

Beziehungen

Die HIV-Infektion kann Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen haben, sei es in einer Partnerschaft, in Freundschaften oder in der biologischen oder gewählten Familie. Eine Psychotherapie kann darin unterstützen, die Kommunikation zu verbessern, Konflikte zu bewältigen und Unterstützung im sozialen Umfeld

zu finden.

Bessere Lebensqualität

Eine Psychotherapie kann dazu beitragen, die Lebensqualität von Menschen mit HIV insgesamt zu verbessern. Sie kann helfen, Stress selbstständig mit positiven Strategien zu bewältigen und ein erfülltes Leben mit der Infektion zu haben.

Regelmässige Einnahme der Medikamente

Die Therapie mit passenden antiretroviralen Medikamenten (ART) ist entscheidend für die Gesundheit von Menschen mit HIV. Eine Psychotherapie kann dabei helfen, Barrieren zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um die Medikamente besser einzunehmen und sich regelmässig bei Ärzt:innen betreuen zu lassen.

Selbststigmatisierung

Selbststigmatisierung, also sich selbst abzuwerten und abzulehnen, ist ein bedeutendes Thema für viele Menschen, die mit HIV leben. Oftmals führt die Diagnose zu einem inneren Konflikt und zu negativen Selbstbildern, die von Vorurteilen und Stereotypen über HIV beeinflusst werden. Dies kann dazu führen, dass sich Menschen mit HIV schämen, isoliert fühlen und ihre Infektion geheim halten. Hier kann eine Psychotherapie helfen, die Beziehung zu sich selbst zu verbessern.

Selbstakzeptanz

Sich selbst mit einer HIV-Infektion akzeptieren zu können, ist wichtig für das emotionale und somit auch das körperliche Wohlbefinden. Durch die Förderung von Selbstakzeptanz können Menschen mit HIV lernen, sich als wertvolle Individuen zu betrachten. Dies trägt dazu bei, dass sie ein erfülltes Leben führen.

Mit wem, wie und wann über die Diagnose sprechen?

Es ist wichtig zu betonen, dass es kein «richtiges Rezept» gibt, anderen von seiner HIV-Infektion zu berichten. Aber zu wissen, wem, wie und wann man von seiner Infektion erzählt, kann von Bedeutung sein. Das kann einen grossen Einfluss auf das emotionale Wohlbefinden und die Beziehungen zu den Mitmenschen haben.

Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, anderen von der eigenen Diagnose zu berichten. Menschen, die mit HIV leben, können ganz individuell entscheiden, mit wem sie wie über ihre Erkrankung sprechen möchten. Für Menschen, die mit HIV leben, sind das Kennenlernen und Dating oft schwierig, da sie befürchten, aufgrund ihrer HIV-Infektion abgelehnt zu werden. Viele Menschen haben Angst davor, wie ihr Partner, ihre Partnerin reagieren wird, wenn er oder sie von ihrer HIV-Infektion erfährt. Ängste sind zum Beispiel, dass der Partner, die Partnerin die Beziehung beendet oder dass sich die Beziehung verändert.

Darum kann es hilfreich sein, vor dem Gespräch darüber nachzudenken, wie die andere Person reagieren könnte, um besser auf mögliche Reaktionen vorbereitet zu sein. Es kann zudem nützlich sein, sich bestimmte Sätze oder Formulierungen vorher zu überlegen. Auch kann es helfen, sich vor einem Gespräch vorzustellen, wie man mit einer negativen Reaktion umgehen möchte. Manche Menschen möchten darum mit Personen, die von der Infektion wissen, auch Rollenspiele machen, um zu testen, wie sie wirken und was sie am besten antworten können.

Wie kann man sich gut auf ein Gespräch vorbereiten?

Ein Beispiel dafür, wie man sich auf ein offenes Gespräch vorbereiten kann, ist Anna. Anna ist eine 35-jährige Frau, die vor zwei Jahren von ihrer HIV-Infektion erfahren hat. Anna hatte Angst, über ihre Diagnose zu sprechen, da ihre Familie bei der Offenlegung ihrer HIV-Infektion schlecht reagierte. Dies führte dazu, dass sie sich immer mehr zurückzog, sich selbst aufgrund der Diagnose abwertete und schlecht über sich selbst dachte. Sie wurde bei der Arbeit unkonzentriert, und ihr Chef sprach sie deswegen an. Sie entschied sich rasch, in Psychotherapie zu gehen, da sie immer trauriger wurde. Ihr Therapeut half ihr, ihre Ängste zu bewältigen und Selbstvertrauen aufzubauen. Als es ihr besser ging, lernte sie im Internet einen neuen Partner kennen. Sie hatte Bedenken, wie ihr neuer Partner reagieren würde, wenn sie ihm von HIV erzählen würde. In Gesprächen mit ihrer guten Freundin und dem Therapeuten übte sie, wie sie es ihm mitteilen könnte und welche Informationen für ihr Gegenüber wichtig sind. Sie übte insbesondere, wie sie ihrem Partner erklären kann, dass das HI-Virus unter erfolgreicher Therapie nicht übertragbar ist – auch nicht bei Sex ohne Kondom.

Anna traute sich, mit dem Partner über die Infektion zu sprechen. Annas Offenheit und Klarheit führten dazu, dass ihr Partner mehr über das Thema HIV weiss, dass er sie unterstützt und dass ihre Beziehung gestärkt wird. Der Partner gibt sein Wissen über HIV nun seinen Freunden weiter. Anna ist es wichtig, nur von ihrer Diagnose zu berichten, wenn sie ihr Gegenüber bereits gut kennt. Dies hilft ihr, diejenigen Menschen auszusortieren, die nicht bereit sind, sie und ihre HIV-Infektion anzunehmen.

Wichtig ist, dass Menschen, die mit HIV leben, gut auf sich achten und sich, wenn nötig, vor allem im Gespräch mit anderen schützen und bei unangenehmen und verletzenden Aussagen abgrenzen und das Gespräch abbrechen. Der Austausch mit Therapeut:innen, Ärzt:innen und Freund:innen kann helfen, besser mit den eigenen Problemen umgehen zu können und zu erfahren, wie man über die Diagnose spricht und wann oder wie weit man sich in Beziehungen – romantischen, freundschaftlichen, familiären oder anderen – öffnen möchte.