«Es ist, als sei Cléments Tod erst gestern gewesen»
Clément Pinguet starb 1993 im Alter von 28 Jahren an Aids. Er hatte Krebs im lymphatischen System, aber es war definitiv Aids, das ihn tötete. Ich erreichte das Spital fünf Minuten nach seinem Tod, ich spürte, wie die Wärme seinen Körper verliess.

Zeugnis von Paolo, aufgezeichnet von Laure Dasinieres
Seine letzten Tage verbrachte er in der Raucherlounge des Unispitals Genf, wo nur eine Putzfrau ihn besuchte – was zeigt, wie viel Angst Aids und Menschen mit Aids zu jener Zeit auslösten. Dies führte dazu, dass er in den «schwarzen Heften» des Unispitals Genf verzeichnet wurde, wo alle Missstände, die Aids-Patient:innen in Spitälern erlitten, aufgelistet wurden. Aber er wurde gut betreut, es gab aber halt nur AZT, und das half nicht genug.
Es ist, als sei Cléments Tod erst gestern gewesen. Wenn du jemanden geliebt hast, verschwindet er nicht, nur weil er gestorben ist. Du trägst ihn dein Leben lang in deinem Herzen. Ich lernte Clément 1988 kennen, ich war 21, er 23. Wir begegneten uns eines Abends im Park, er ging mit jemand anderem weg. Aber am nächsten Tag war ich wieder da und er auch. Nach einer Woche hatte ich die Schlüssel zu seiner Wohnung, und wir trennten uns nie wieder. Er war in Genf als «weisser Wolf» bekannt, und für mich war er jetzt der weisse Wolf. Unsere Liebe war wahr, leidenschaftlich, fortissimo. Es war eine aussergewöhnliche Zeit, um uns herum starben die Menschen reihenweise. Und wir lebten jeden Tag, als wäre es der letzte. Uns war alles egal, wir küssten uns auf der Strasse, auch wenn wir beschimpft wurden. Obwohl er aus sehr wohlhabenden Verhältnissen kam, wo man Kaviar mit einem Silberlöffel ass, sagte er mir, dass ich die besten Sandwiches der Welt mache. Das einfachste Gericht, wenn du es mit der Person isst, die du liebst, ist das wunderbarste Essen. Diese positive Lebensphilosophie habe ich behalten. Trotz seiner Mängel liebe ich das Leben und habe nie aufgehört, an die Liebe zu glauben.
Als Clément starb, setzte seine Mutter, die mir immer mit subtiler Boshaftigkeit begegnet war, alles daran, um mich beiseitezuschieben, als hätte ich ihr ihren Sohn gestohlen. Sie versuchte, all seine Sachen und seine Asche an sich zu reissen. Sie wollte seine Geschichte umschreiben, behaupten, er sei heterosexuell gewesen. Sie lud sogar seine Ex-Frau zur Beerdigung ein. In der Kirche gab es zwei Gruppen, unsere Freunde auf der einen Seite und Cléments Familie auf der anderen. Nur seine Grossmutter kam zu mir und sagte mit einem liebevollen, verschwörerischen Blick: «Ich wollte denjenigen kennenlernen, der all diese Momente mit meinem Enkel verbracht hat.»
Nach Cléments Tod musste ich mit der Abwesenheit und der Einsamkeit zurechtkommen. Als wir zusammen waren, träumten wir oft vom Gleichen. Und auch heute träume ich noch oft von ihm. In meinen Träumen ist er mal glücklich, mal wütend. Meine Träume gehören zu meinem Leben, sie sind eine Art, die Einsamkeit zu zähmen. Und ich habe einige Dinge zu Hause, die mich an Clément erinnern. Es sind vielleicht banale Gegenstände, aber das spielt keine Rolle.