Dalika: «Ich möchte Gerechtigkeit!»

Dalika (Name geändert) erkannte schon in ihrer Kind­heit, dass ihr bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht nicht ihrer Identität entsprach. Sie litt deswegen viel in ihrer Kindheit und Jugend: «Ich wurde von meinen Mitschüler:innen gemobbt, hatte wenig Freund:innen und auch meine Eltern taten sich schwer, meine Identität zu akzeptieren.» 

Porträt verfasst von der FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration

Erst durch die mehrjährige Begleitung einer Psychologin konnte Dalika in ihrer Familie mehr Verständnis erfahren und ihre psychische Gesundheit stärken. Dennoch blieb die gesellschaftliche Ausgrenzung von trans Personen ein grosses Hindernis: «Als trans Person gilt man in meinem Heimatland als Mensch zweiter Klasse; Abwertung und Ungleichbehandlung sind Alltag.»

Dalika (Name geändert) erkannte schon in ihrer Kind­heit, dass ihr bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht nicht ihrer Identität entsprach. Sie litt deswegen viel in ihrer Kindheit und Jugend: «Ich wurde von meinen Mitschüler:innen gemobbt, hatte wenig Freund:innen und auch meine Eltern taten sich schwer, meine Identität zu akzeptieren.» Erst durch die mehrjährige Begleitung einer Psychologin konnte Dalika in ihrer Familie mehr Verständnis erfahren und ihre psychische Gesundheit stärken. Dennoch blieb die gesellschaftliche Ausgrenzung von trans Personen ein grosses Hindernis: «Als trans Person gilt man in meinem Heimatland als Mensch zweiter Klasse; Abwertung und Ungleichbehandlung sind Alltag.» 

Nach ihrem Schulabschluss fand Dalika keine Arbeit und ging ins Ausland. Dort arbeitete sie als Sex­arbeiterin und begann ihre Geschlechtsangleichung. Als sie nach mehreren Jahren zurückkehrte, stellte sie fest, dass sie mit HIV lebt. «Ich suchte umgehend medizinische Hilfe und hatte das Glück, über eine Organisation, die sich für die Rechte von trans Personen einsetzt, Zugang zu Medikamenten zu erhalten. Denn wo ich herkomme, gilt das Leben einer trans Person als weniger Wert und der Weg zu medizinischer Versorgung ist uns erschwert.» Nach mehreren Monaten musste Dalika jedoch feststellen, dass die Medikamente keine Wirkung zeigten und sich das Virus in ihrem Körper weiter ausgebreitet hatte. Ihr Zustand wurde immer schlechter, die Infektion war weit fortgeschritten und befiel Haut und Organe. «Ich war verzweifelt, hatte Angst um mein Leben und fand nirgends eine Möglichkeit, an die richtigen Medikamente zu kommen.» Sie fragte um Hilfe bei einer Bekannten. Über diesen Kontakt erhielt sie das Angebot, als Haushaltshilfe einige Monate in Europa zu arbeiten. Mit der Aussicht Zugang zu Behandlung zu bekommen, nahm sie das Angebot an. 

In Europa angekommen, erwartete sie jedoch eine ganz andere Realität. Gleich nach ihrer Ankunft wurde sie in eine Wohnung gebracht und eingesperrt. Pass und Telefon wurden ihr weggenommen. Die Täterschaft zwang Dalika dazu, sexuelle Dienstleistungen zu erbringen: «Die Annoncen, Termine, Leistungen und Preise – alles wurde von der Täterschaft verwaltet. Einnahmen erhielt ich keine, weil ich angeblich hohe Schulden für Reise und Aufenthalt abzubezahlen hatte.» Wenn Dalika sich weigerte, einen Kunden zu bedienen oder Drogen zu konsumieren, wurde sie erniedrigt, bedroht und geschlagen. «Viele forderten ungeschützten Verkehr.» Dies führte dazu, dass Dalika erneuten Infektionen ausgesetzt war. Nach wie vor hatte sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und ihr körperlicher Zustand verschlechterte sich kontinuierlich. Dalika befand sich in kompletter Abhängigkeit: «Auch wenn sich die Chance zur Flucht geboten hätte, wohin hätte ich denn gehen sollen, ohne meinen Pass, ohne Geld, ohne Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten?» 

Nach mehreren Monaten brachte die Täterschaft Dalika in die Schweiz. Im Rahmen einer Polizeirazzia wurde sie verhaftet, wegen unregulierten Aufenthalts und Schwarzarbeit. Nach zwei Tagen in Untersuchungshaft und einer ersten Befragung erkannte die Polizei allerdings Anzeichen von Menschenhandel bei Dalika und vernetzte sie mit der FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration. Ihr körperlicher Zustand war bereits sehr kritisch: «Durch die fehlende Behandlung war die Krankheit stark fortgeschritten und ich litt bereits unter Sehverlust und hatte offene Wunden am Körper.» Dalika wurde von einem Checkpoint mit HIV und Tuberkulose diagnostiziert. Sie erhielt umgehend Zugang zu Medikamenten und einer umfassenden Behandlung. Die FIZ organisierte die Krankenkasse, eine sichere Unterkunft und engmaschige Unterstützung. «Über ein halbes Jahr musste ich täglich starke Dosierungen zu mir nehmen, bis sich mein Zustand endlich verbesserte.» 

«Wohin hätte ich denn gehen sollen, ohne meinen Pass, ohne Geld, ohne Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten?»

Mittlerweile ist Dalikas Gesundheitszustand wieder stabil und die Tuberkulose geheilt. Sie entschied sich zur Anzeige. Obwohl die Angst vor Repressalien der Täterschaft gross ist, ist die Angst vor fehlendem Zugang zu Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt im Herkunftsland grösser. Durch das Strafverfahren erhielt Dalika Sicherheit auf Zeit, denn sie kann mindestens für die Dauer des Verfahrens in der Schweiz bleiben und erhält Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. «Ich möchte andere vor gleichen Erfahrungen schützen und die Täter:innen stoppen, die unsere Lage ausnutzen. Ich möchte die Sichtbarkeit für meine Community stärken und ein Bewusstsein dafür schaffen, was gesellschaftliche und strukturelle Diskriminierung auf dieser Welt anrichten – bis heute! Ich möchte Gerechtigkeit!»