Frauen mit HIV: Viruslast nach der Geburt
Seit 2018 können Frauen mit HIV mit nicht nachweisbarer Viruslast in der Schweiz stillen, wenn sie dies wünschen. In diesen Fällen ist die Nachsorge nach der Geburt von entscheidender Bedeutung. Trotz unterdrückter Viruslast bei der Entbindung wurde jedoch in mehreren Studien über eine geringe Rate der mangelnden Therapietreue in der HIV-Behandlung und der ungenügend unterdrückten Viruslast nach der Geburt berichtet.
Wir haben in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) zwischen Januar 2000 und Dezember 2018 die Geburten von Frauen mit HIV und nicht nachweisbarer Viruslast untersucht. Wir haben analysiert, ob die Nachsorge der Mutter und des Kindes während der ersten zwölf Monate nach der Geburt stattfand und ob die Viruslast in diesem Zeitraum unterdrückt blieb.
Insgesamt blieben 94 Prozent (694 von 737) der Frauen mit HIV nach der Entbindung mindestens sechs Monate lang in der HIV-Nachsorge. Ein später Beginn der antiretroviralen Kombinationstherapie (cART) während des dritten Trimesters erwies sich als Hauptrisikofaktor für einen Abbruch der Nachsorge. Unter den Müttern, die bis mindestens ein Jahr nach der Entbindung cART erhielten, kam es bei 4,4 Prozent (26 von 591) zu einer nachweisbaren Viruslast, wobei der Konsum von Drogen der wichtigste Risikofaktor darstellte. Der Hauptrisikofaktor für die Nichtbeachtung der Empfehlungen zur Nachsorge des Säuglings war eine Depression der Mutter.
Obwohl die hohe Rate der korrekten Nachsorge der Mutter und des Säuglings nach Geburt insgesamt beruhigend ist, wurden mehrere veränderbare Risikofaktoren für ein Scheitern der Nachsorge identifiziert, wie zum Beispiel ein verspäteter Behandlungsbeginn und Depressionen bei der Mutter. Diese Faktoren sollten bei der Behandlung aller Frauen mit HIV berücksichtigt werden, insbesondere derjenigen, die sich in unserem Land für das Stillen entscheiden.
Viral suppression and retention in HIV care during the postpartum period among women living with HIV: a longitudinal multicenter cohort study, The Lancet Regional Health – Europe, 16.11.2023, DOI: 10.1016/j.lanepe.2023.100656.
Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHCS)
Was ist eine Kohortenstudie?
Eine Kohorte ist eine Personengruppe, die ein gemeinsames, längerfristig prägendes Ereignis erlebt hat. Die HIV-Kohortenstudie umfasst Menschen mit HIV in der Schweiz.
Was macht die SHCS?
Die SHCS ist eine Zusammenarbeit aus Spitälern und behandelnden Ärzt:innen, die Menschen mit HIV betreuen. Die SHCS hat seit 1988 über 22 000 Menschen mit HIV begleitet, ihre Daten zur Gesundheit gesammelt und in wissenschaftlichen Studien ausgewertet.
Warum Daten sammeln?
Die Forschung hat das Ziel, die Lebensqualität von Menschen mit HIV zu erhöhen. Behandelnde Ärzt:innen können dank der Forschungsergebnisse die HIV-Therapie verbessern, zum Beispiel bezüglich der Verringerung von Nebenwirkungen. Aber auch Bedürfnisse bezüglich der psychischen Gesundheit werden sichtbarer. Durch eine Beteiligung an der SHCS leisten Menschen mit
HIV einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Versorgung – für sich und andere.